Wie sieht die Situation heute aus?

Die Salzburger Kirche hatte unter den Kampfhandlungen des Zweiten Weltkrieges kaum gelitten. Erst nach 1945 wurde der Turm bis auf die Höhe der Mauern zerstört und mit Ziegeln abgedeckt.
Einige der großen Fenster mauerte man vollständig zu, andere beließ man als kleine, vergitterte Luken. Anschließend diente das Gebäude lange Jahre der Rajonstraßenbauverwaltung als Lagerhalle.
Nach Öffnung des Gebiets erhielt die Stiftung „Salzburger Anstalt Gumbinnen" von den zuständigen Behörden die Genehmigung zur Restaurierung der Kirche. Der Wiederaufbau fand in den Jahren 1994/95 statt. Die Finanzierung des Wiederaufbaus wurde von der Stiftung organisiert. Eingeweiht wurde die Kirche in Anwesenheit zahlreicher Besucher aus dem In- und Ausland am 31. Oktober 1995. Das Gebäude wird seitdem von der Evangelisch-lutherischen Gemeinde in Gumbinnen als Kirche und Begegnungsstätte genutzt.


   

© Foto links: "Vergessene Kultur - Kirchen in Nord-Ostpreußen" von A. Bachtin/G. Doliesen - übrige Fotos Archiv KGG


Vor dem Beginn der Restaurierung stand die Planung und die Hoffnung auf Finanzierung zur Wiederherstellung der Salzburger Kirche. In der örtlichen Presse in Bielefeld stellte der damalige Vorsitzende der Salzburger Stiftung Gerhard Brandtner dieses Projekt vor.


"Salzburger betreiben Projekt der Versöhnung

Kirche in Gumbinnen soll wiedererstehen

Bielefeld (epd). Die evangelische Kirche in Gumbinnen, dem heutigen Gusev im nördlichen Ostpreußen, soll wieder hergerichtet werden. Die in Bielefeld ansässige Stiftung der Salzburger setzt sich für das Projekt ein. Sie sieht in ihm ein Symbol des Brückenschlags und der Versöhnung. Detaillierte Pläne wurden bereits mit den örtlichen russischen Behörden in Gusev abgestimmt.
Jetzt liegt das Projekt staatlichen und kirchlichen Stellen in Deutschland vor, damit diese über eine finanzielle Förderung entscheiden. In Gusev gibt es seit einigen Monaten wieder eine kleine evangelische Gemeinde.
Gumbinnen war bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges geistiges Zentrum der Salzburger Protestanten, die nach ihrer Vertreibung aus der Heimat vor rund 250 Jahren in Ostpreußen Zuflucht gefunden hatten. Dort gründeten sie auch eine Fürsorgeeinrichtung für alte und arme Menschen, die Stiftung ,,Salzburger Anstalt Gumbinnen".
Bielefeld ist die Patenstadt
Nach 1945 regte die Stiftung die Gründung eines Vereins an, der in Gumbinnens Patenstadt Bielefeld ein Altenwohnstift in der Tradition der Anstalt betreibt. Nach der politischen Wende in der Sowjetunion suchte die Stiftung Kontakt nach Gumbinnen/Gusev in dem zu Rußland gehörenden Ostpreußen.
Die evangelische Kirche in Gusev überstand als einziges Gebäude der ehemaligen Salzburger Anstalt den Krieg. Sie brannte zwar aus, wurde aber hergerichtet, mit einem Notdach versehen und seither als Materiallager genutzt. Bei den Salzburgern entstand der Plan, dieses Gebäude von kulturgeschichtlicher Bedeutung zu erhalten. Hinzu kam, daß durch die Übersiedlung von Deutschen aus Kasachstan nach Ostpreußen eine kleine evangelische Gemeinde am Ort entstand, zu der auch russische Bewohner hinzukamen. Die Gemeinde hat seit dem 1. Juli mit Rainer Hageni aus Freiberg (Sachsen) einen Pfarrer, nach Kurt Beyer in Königsberg der zweite evangelische Pastor im nördlichen Ostpreußen.
Symbol der Verständigung
Nachdem die Gemeinde selber für die Pfarrerwohnung und einen vorläufigen Versammlungsraum sorgte, sehen die Pläne der Salzburger neben der Kirchenrestaurierung den Neubau eines Gemeindezentrums mit Küsterwohnung, öffentlicher Bibliothek und Sozialstation vor. Eingedenk der eigenen Tradition, so Stiftungsvorsitzender Gerhard Brandtner (Bonn), soll ein Symbol der Völkerverständigung entstehen. So wie man die Aussöhnung mit dem Land Salzburg und der dortigen katholischen Kirche gesucht und erreicht habe, so sehe man jetzt eine Aufgabe Im Brückenschlag nach Ostpreußen.
Das grundsätzliche Einvernehmen mit den örtlichen Behörden ist erzielt. In Deutschland soll die Entscheidung über eine Verwirklichung des Projektes im Herbst fallen, hoffen die Salzburger."

Neue Westfälische vom 28.07.1993


"Salzburger Stiftung: Initiative in Gumbinnen/Ostpreußen

Hospitalkirche soll aus Materiallager neu entstehen

Bielefeld-Stieghorst (hoß). »Wenn das Projekt wie geplant startet, wird das auch politisch ein Renner werden«, ist sich Gerhard Brandtner sicher. Der Vorsitzende der »Stiftung Salzburger Anstalt Gumbinnen« spricht vom Neuaufbau der Salzburger Kirche In der ostpreußischen  Stadt  bei  Königsberg« dem  heutigen  Kaliningrad.
Denn der jetzige Zustand des kleinen Gotteshauses vermittelt nicht einmal mehr den Eindruck einer Kirche. In dem heruntergekommenen Gebäude befindet sich vielmehr ein Materiallager der Straßenbauverwaltung der Stadt Gusev, wie Gumbinnen beute genannt wird.
Die Bemühungen der in Stieghorst beheimateten Stiftung, die auch das dortige Wohnstift Salzburg an der Memeler Straße unterhält, kamen 1991 aufgrund der politischen Veränderungen in Gang. Erstmals nach dem Krieg gab es wieder Kontakte nach Gumbinnen, wo bis 1939 das »geistige Zentrum der Salzburger war«, wie der selbst aus der Stadt stammende Brandtner betont.
Die, wie der Name schon sagt, ursprünglich aus dem Salzburger Land in Österreich stammenden evangelisch-lutherischen Christen wurden aufgrund ihres Glaubens 1731 im großen Stil aus dem damals selbständigen Salzburg vertrieben und in alle Welt zerstreut. 20 000 Menschen verloren damals ihre Heimat. »Der größte Teil siedelte sich in Ostpreußen an«, erinnert der Stiftungs-Vorsitzende an die Geschichte seiner Vorfahren. Wie Angehörige vieler weiterer Volksstämme kamen etwa 16 000 Salzburger nach Gumbinnen. Dort errichteten sie ein Altenheim, zeigten allgemein soziales Engagement zugunsten Alter und Kranker.
An diese Tradition knüpft das Wohnstift Salzburg an. Bielefeld wurde nach dem zweiten Weltkrieg die neue Heimat für die zum zweiten Mal vertriebenen Salzburger. Da die Ostwestfalen-Metropole (nach d. Red.) 1945 eine Patenschaft für den Kreis Gumbinnen übernommen hatte. Mit dem Bemühen um die alte Kirche will die Stiftung nun auch die in Ostpreußen bestehende Tradition wieder lebendig werden zu lassen.
Die frühere, knapp 200 Menschen Platz bietende Hospitalkirche mit ihrem etwa 24 Meter hohen Turm wurde gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zerstört. Nach dem Krieg wurden die Kirchenfenster weitgehend zugemauert, vom Kirchturm blieb nur ein Ansatz. Das Gebäude erhielt ein neues Dach. Der Bauhof wurde eingerichtet. Dank umfangreicher Aufklärungsarbeit und Reisen der Salzburger nach Gusev stimmen inzwischen jedoch auch die russischen Behörden zu: »Die Kirche ist ein kulturgeschichtliches Denkmal«.
Überzeugt wurden die Russen, so berichtet Gerhard Brandtner. jedoch vor allem durch die Ankündigung, neben der Kirche auch ein Gemeindehaus zu errichten. Denn in Gumbinnen hat sich inzwischen wieder eine kleine evangelisch-lutherische Gemeinde gebildet, die von dem in Königsberg geborenen Kieler Geistlichen Günter Kirsch geführt wird. Außerdem soll auch die Stadt von dem Gemeindehaus profitieren: der Saal soll für Veranstaltungen zur Verfügung stehen, ein weiterer Raum Teile der Gusever Stadtbibliothek aufnehmen, eine Sozialstation soll entstehen. Johanniter-Unfallhilfe und das Deutsche Rote Kreuz sollen beim Aufbau der ersten Station dieser Art in Gumbinnen helfen.
»Wir möchten im kommenden Frühjahr beginnen«, so Gerhard Brandtners Zeitvorstellungen. Allerdings sei die Finanzierung des Projektes noch nicht gesichert. »90 Prozent der Kosten wird wohl der Bund tragen müssen«, sagt der Stiftungs-Vorsitzende. Eventuell wird auch das österreichische Bundesland Salzburg, zu dem die Stiftung ebenfalls gute Kontakte aufgebaut hat, etwas beisteuern. Entsprechende Anträge sind bei den zuständigen Ministerien gestellt.
Eine Entscheidung wird im Herbst erwartet. 1994 soll die 1754 erstmals und 1840 neu erbaute Hospitalkirche wiedererstehen. Die spätklassizistische, »typische preußische   Landkirche«, so Fachleute, wird dann wieder an das Salzburger Erbe in Gumbinnen erinnern. Die Arbeiten soll übrigens eine einheimische Firma leisten. Auf diesem Wege sei der Wiederaufbau der Kirche, so Brandtner, auch »ein Stück Wirtschaftsförderung«."

Westfalen-Blatt vom 28.07.1993