Kiaulkehmen ist der Geburtsort der ostpreußischen Heimatdichterin Frieda Jung

Im Archiv der Kreisgemeinschaft Gumbinnen findet sich folgender Bericht:

"Frieda Jung, eine ostpreußische Dichterin. Frieda Jung, die ostpreußische Dichterin der Stille, ist am 4. Juni 1865 in Kiaulkehmen im Kreise Gumbinnen als Tochter eines Lehrers geboren worden. Durch den frühen Tod ihrer Eltern wurde das junge Mädchen früh aus einer glücklichen Kindheit gerissen und hat, wie sie es selber in einem der ostpreußischen Bauerndichterin Johanna Am-brosius gewidmeten Gedichte sagte: „ .. . mit dem Schmerz zu Tisch gesessen." Eine bittere Enttäuschung für die kaum Zwanzigjährige war auch ihre unglückliche Ehe, die kaum ein Jahr währte, und der rasche Tod ihres neugeborenen Kindes. Die durch Krankheit und bitteres seelisdies Leid gezeichnete junge Frau fand ihren Trost in schlichtem Gottvertrauen. Immer wieder versuchte sie eine ihrer Art entsprechende Arbeit zu finden. Sie schrieb darüber klagend: „Zu einem Amt war ich körperlich zu schwach, zu dem anderen zu unwissend. Endlich fand ich Aufnahme im Kindergarten zu Lyck, und seitdem habe ich im Laufe von 12 Jahren Stellungen (als Erzieherin und Gesellschafterin) in vier verschiedenen Häusern innegehabt. Es muß wohl schon so sein, daß der liebe Gott auch unter den Menschen seine Wandervögel hat, und wohl denen, die mit dieser Bestimmung ihres Lebens auch den Wandertrieb der kleinen Gefiederten verbinden. Ich besitze ihn nicht. Mein Herz klammert sich mit zitterndem Eigensinn an jedes Haus, in dem ich einen Weihnachtsbaum brennen sah und ein Kinderhändchen loszulassen, das sich einmal warm und zärtlich in meine Hand legte, verursacht mir beinahe einen körperlichen Schmerz." —
Die innere Verbundenheit mit den Menschen ihrer Heimat bestimmte ihre Dichtkunst. Gleich ihre ersten Gedichte, die 1900 herauskamen, zeichneten sich durch eine tiefe Wärme der Empfindung aus. Gedanken und Lieder voller Schlichtheit und Wahrheit erfüllen das Wesen und Leben von Frieda Jung, die dazu bekannte: „Ein paar Töne davon weht der Wind in die Welt hinaus. Und nun geschieht das Unfaßbare, hin und wieder bleibt einer stehen und lauscht. Es mag ihm wohl zumute sein, als hörte er an einem schönen, klaren Herbstabend ganz fern vom Dorf her das Spiel einer Harmonika. Kunstlos, leise, sehnsüchtig." — Frieda Jung sah und schilderte mit Herzensgüte, tiefem menschlichen Verstehen und recht oft mit einem feinen Humor die Dinge ihrer Welt. Die in Insterburg lebende Dichterin war im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts durch ihre Lesungen und Gedichtbände in Ostpreußen so bekannt geworden, daß sie im Sommer 1912 im Dorfe Buddern, Kr. Angerburg, ein kleines eigenes Heim beziehen konnte, das sie sich aus den Erträgen ihrer Arbeit geschaffen hatte. Aber wieder verschonte Frieda Jung das Schicksal nicht und zwang sie mit ihren masurischen Landsleuten 1914 zur Flucht vor den Russenarmeen. Dieses Ereignis scheint die empfindsame Frau sehr hart und tief getroffen zu haben. Sie wurde nun zur Künderin Ostpreußens, zur Sängerin ostpreußischer Landschaftsschönhei-ten und Heimatliebe. An ihrem 60. Geburtstage 1925 erfuhr Frieda Jung im Rathaussaal zu Insterburg von dieser Stadt und der ganzen Provinz Ostpreußen würdige Ehrungen. Aber bald stellten sich durch Krankheit bittere Sorgen ein, so daß der Goethe-Bund eine Sammlung für sie einleiten mußte. Frieda Jung mußte sich einer Operation unterziehen, die ihr beste Genesungsaussichten eröffnete. Da versagte nach einer schweren Grippe ihr Herz, und am 14. Dezember 1929 schloß sie die Augen für immer. Auf ihrem Grab in Insterburg stand ein schlichter Stein, der außer ihrem Namen ein von Professor Hermann Brachen geschaffenes Bronzerelief mit dem Antlitz der Dichterin trug. —
Auf die ersten, 1900 erschienen „Gedichte" von Frieda Jung folgte 1906 ein Sammelbändchen, dessen Titel man nicht unter den Gesichtspunkten gegenwärtiger Auffassungen betrachten darf. Frieda Jung nannte ihn „Maienregen — Gottessegen". Dieses Bändchen fehlte vor 1914 fast in keinem ostpreußischen Bürgerhaushalt. Es folgte der weitere Band „Freud und Leid", dann 1908 „Neue Gedichte". „In der Morgensonne" war der Titel des ersten Bandes der entzückenden Kindheitserinnerungen von Frieda Jung, der 1910 erschien. Im Ersten Weltkriege hat sie mit Lesungen gerade aus diesem Buch in mehr als 60 mitteldeutschen Städten vielen Tausenden von Zuhörern ein lebensnahes Bild vom ostpreußischen Wesen und von den Menschen an der Bernsteinküste und an den Masurischen Seen vermittelt. Der Dürer-Bund brachte in den Kriegsjahren drei Bändchen von Frieda Jungs Schriften heraus, von denen die Gedichte „Aus Ostpreußens Leidenstagen" in ganz Deutschland von dem Opfer kündete, welches die östlichste Provinz des Reiches hatte darbringen müssen. Ihre letzte Sammlung, die unter dem Titel „Gestern und heute" ein Jahr vor ihrem Tode erschien, ist noch oft im Ostmarken-Rundfunk und im Sender Königsberg und Heilsberg sowie in der ostpreußischen Presse gewürdigt worden.
 
Sehr verbreitet waren in Frieda Jungs Heimat auch ihre Kinderlieder. Lassen wir noch die folgenden Verse für Frieda Jung und ihr Werk sprechen:

„Herr, gib uns helle Augen, die Schönheit der Welt zu seh'n,
Herr, gib uns feine Ohren, Dein Rufen zu versteh'n,
Und weiche, linde Hände für unsrer Brüder Leid
Und    klingende    Glockenworte    für    uns're wirre Zeit!
Herr,    gib    uns    rasche    Füße    zu    uns'rer Arbeitsstatt
Und eine stille Seele, die Deinen Frieden hat!"
„Was kam, was kommt — ich weiß nur eins:
Hier ist mein Herz, und das ist deins,
O Heimat, bis zum Tode."

Das war Ostpreußens Frieda Jung, eine kleine, zarte Frau, der sich einst viele Herzen in Liebe und Verehrung zuneigten. Im Jahre 1965 erschien im Verlage Gräfe & Unzer, München, eine von M. A. Borrmann ausgewählte Anthologie aus den Werken der Dichterin:  „Auch ich hab' mit dem Schmerz zu Tisch gesessen .. .") —

„Das Ostpreußenblatt" vom 15. März 1952 bringt auf S. 9 ein Foto des Grabes von Frieda Jung und auf S. 10 einen Aufsatz von Wilhelm Matull „Zugang zu den Herzen", Frieda Jung, eine Sängerin des Ostpreußenlandes. Hier werden einige zusätzliche Angaben über ihr Leben gemacht. Am 4. Juni 1925 richtete die Stadt Insterburg die Feier ihres 60. Geburtstages aus. Oberbürgermeister Wedel hatte im Rathaussaal zu einem weihevollen Festakt eingeladen. Auf die Reden, die gehalten wurden, antwortete sie: „Ja, ich habe ein paar Lieder gesungen, aber lange nicht so schön, wie die kleine Lerche da draußen in der blauen Luft! Und ich liebe meine Heimat und mein deutsches Land mit der Selbstverständlichkeit und Leidenschaft jedes Ostpreußen. Aber ich habe diese Liebe lange nicht so beweisen können, wie jeder unserer jungen Söhne, der um sie sein Leben gelassen. Und im übrigen: eine schlichte Frau, die mit ihren grauen Haaren noch immer die Menschen für gut hält, die hin und wieder gern ein wenig plattdeutsch spricht und fest und kindesfroh an die Gottesschrift in Bibel, Wald und Sternen glaubt, — das ist alles!". — Nach ihrem Tode wurde eine Sammlung veranstaltet, durch die die Herstellung ihres Bildnisses, einen Bronzekopf von der Seite gesehen (Halbrelief), durch Professor Hermann Brachen, finanziert wurde. An einem eisigkalten Wintertag des Jahres 1930 fand dann die Enthüllung der Büste auf der von der Stadt Insterburg geschenkten letzten Ruhestätte Frieda Jungs statt." —

Termine

Beachten Sie bitte unsere Termine und nehmen Sie die Gelegenheit wahr, sich wieder mit Landsleuten zu treffen und Erinnerungen aufzufrischen.