Das Regierungsgebäude zu Gumbinnen 
von Studiendirektor Dr. phil. Herbert Kirrinnis (Quelle Gumbinnen von Dr. Grenz)

Im nordöstlichen Ostpreußen gehörte zu den hervorragend kulturlandschaftsprägenden Elementen seit der Ordenszeit bis in unsere Tage das Ragniter Ordensschloß. Sucht man in diesem Gebiet nach anderen repräsentativen Bauwerken, die Stadt- und landschaftsgestaltend eine Rolle spielten, so ist vor allem das Gumbinner Regierungsgebäude zu nennen. Unter jüngeren Bauten fand man im östlichen Ostpreußen kaum seinesgleichen. Es bildete für die Stadt Gumbinnen in jeder Hinsicht den Mittelpunkt. Aus Nord und Süd, aus Ost und West führten die breiten Chausseen der nordostpreußischen Ebene auf dieses Gebäude zu, jeden Besucher, der seine Schritte zu dieser Regierung im östlichsten Deutschland lenkte, direkt auf „die Regierung" hinführend.

Das Conferentz-Haus

Bereits der auf den friderizianischen Baumeister Schultheiß von Unfried zurückgehende Grundriss der Stadt Gumbinnen, an dem sich bis in unsere Zeit in den Grundzügen nichts geändert hat, zeigt im Mittelpunkt der Stadt das „Conferentz- und Rathaus". Es geht auf die Zeit des berühmten „Retablissements" zurück, durch das nach den schlimmen Pestjahren 1709/10 vor allem durch König Friedrich Wilhelm I. der jungen Kulturlandschaft des nordöstlichen Ostpreußen jene Züge eingeprägt wurden, die bis in unsere Zeit den Charakter dieser Landschaft maßgebend bestimmten.

Anfänglich sollte die am 22.11.1723 errichtete „Litauische Deputation" „so viel immer möglich in der Mitte des Landes logieren". Am 14.03.1724 genehmigte Friedrich Wilhelm I., dass das Deputations-Kollegium seinen Sitz in Gumbinnen nehmen könne. Bis zum Bau eines entsprechenden Hauses sollte sich das Bau-Direktorium in Insterburg aufhalten. Man tat das aber nicht, sondern mietete 1724 ein Haus des Pfarrers Vorhoff, in dem die neue Behörde bis zur Errichtung eines eigenen Hauses gewirkt hat. Inzwischen erweiterte sich auch ihre amtliche Zuständigkeit und Selbstständigkeit durch Übertragung der Kontribution und Akzise; im Jahre 1725 wurde sie in drei Departements geteilt.

Der erste Präsident der späteren Gumbinner Regierung war Matthias Christoph von Bredow (1724—1733). Die „Litauische Deputation" arbeitete zufriedenstellend, und so verfügte Friedrich Wilhelm I. am 24.01.1726: „Nachdem Wir beigefügten von Unserm Krieges- und Domänen-Rath von Unfried anhero eingesandten Riß zum Conferentz- und Rahthause zu Gumbinnen allgdst approbiret, Unserm Geh. Raht Kuthz auch bereits ordre erteilet, die nach dem Abschlage dazu erforderten 4161 Rtlr. an Euch zu überwachen . . ., daß nach dem Unfried Vorschlag der Sergeant Wippermann von des Majors von Hülsen Kompanie im Finckensteinschen Regiment zur Aufsicht über diesen Bau beybehalten werde.

Der Bau wurde Anfang 1727 an der Stelle der heutigen „Alten Regierung" fertig, diente 104 Jahre seinem Zwecke, bis er durch Feuer vernichtet wurde. Von diesem ältesten Gumbinner Regierungsgebäude sei hier nur berichtet, dass es aus Fachwerk bestand und 4.161 Taler kostete, wobei der Staat noch das Bauholz und 100.350 Stück Lycker Ziegel lieferte. Die ganze Ausstattung kostete — ein Beispiel preußischer Sparsamkeit — 16 Taler und bestand aus einem langen, mit grünem Tuche bedeckten Tisch, aus zwölf Stühlen (à 22 ½ Groschen) und einem Aktenschrank. Seit dem 16. Dezember 1808 führten die Kriegs- und Domänenkammern allgemein die Bezeichnung „Regierungen"; ab Juli 1816 führte die Gumbinner Behörde den Namen „Königlich Preußische Regierung zu Gumbinnen".
 


Das alte Konferenzgebäude hatte rund 140 Jahre seinen Zwecken gedient, dabei an manchen bedeutsamen Vorgängen preußischer Geschichte Anteil gehabt. Hier sei im Rahmen des Retablissements die Einwanderung der Salzburger genannt, ferner in der Zeit der russischen Besetzung die Tätigkeit Domhardts, schließlich die schlimme Franzosenzeit vor dem Zuge Napoleons nach Rußland und im Rahmen der Erhebung Preußens die Tätigkeit Theodor von Schöns, seine Zusammenarbeit mit dem Reichsfreiherrn vom Stein, Ernst Moritz Arndt und anderen. Das Regierungsgebäude war inzwischen baufällig und überhaupt unzureichend geworden. So erwog man zum ersten Male im Jahre 1829 einen Neubau. Als Bauplatz kam keine andere Stelle in Frage als der Platz des bisherigen Konferenzgebäudes. Hier erstand später also die bis in unsere Zeit weithin bekannte „Alte Regierung". Bis zu ihrer Fertigstellung regten sich Bestrebungen, die Regierung von Gumbinnen zu verlegen. So ging am 02.09.1830 beim Regierungspräsidenten ein Gesuch des Tilsiter Magistrats ein, der den einstimmigen Beschluss der Stadtverordneten mitteilte, das Gebäude am Anger zwischen der Deutschen und der Hohen Straße unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Das Gesuch wurde von dem Regierungspräsidenten Heuer „vorläufig zu den Akten" gelegt, ohne zu ahnen, wie plötzlich die Frage des Neubaus an ihn herantreten sollte.

Am frühen Morgen des 5. Februar 1831 musste Regierungspräsident Heuer eine Stafette nach Königsberg und Berlin senden mit der Nachricht, dass um Mitternacht ein Brand im Regierungsgebäude, d. h. also im alten Konferenzhause, ausgebrochen und das Gebäude bis auf die Kassengewölbe ausgebrannt sei. Noch am selben Tage wurde ein Protokoll mit einem eingehenden Bericht nachgesandt. Bei dem Brande wurden nur die Grundbücher mit einem kleinen Teil der Plankammer und die Finanzregistratur sowie der gesamte Kassenbestand von 19.483 Talern bar und 179.751 Talern in Papieren gerettet, während die Kassenbücher verbrannten. Alles, was sich über dem Gewölbe befand, war vernichtet, vor allem der Verlust jener Akten zu beklagen, in denen sich der Vorgang des Retablissements genauestens widerspiegelte. Bei historischen Forschungen empfindet man bis in unsere Zeit gerade den Verlust dieser Akten als besonders schmerzlich.

Am 10. März 1831 erging ein Erlass, der vor der Entscheidung über den Neubau zunächst eine eingehende Prüfung der Frage anordnete, „ob Gumbinnen als Sitz der Verwaltungsbehörde von Lithauen beizubehalten oder dieser nach Insterburg oder Tilsit zu verlegen". Die Erwägungen sollten angestellt werden „sowohl hinsichtlich der Vorteile, welche jeder der drei Orte nach der geographischen Lage und nach der Verbindung mit anderen Behörden als Sitz der Verwaltung verspreche, wie hinsichtlich der ökonomischen Lage dieser Orte selbst, als endlich hinsichtlich der Kosten, welche die Herstellung der Lokale an einem oder der anderen Orte veranlassen". Im Ministerium war man Gumbinnen nicht so sehr gewogen; so äußerte sich der Finanzminister Motz: es sei zu erwägen, „ob nicht die Veranlassung benutzt werden solle, die Regierung nach Insterburg oder Tilsit zu verlegen, wo sie offenbar mehr an ihrer Stelle und durch die (1831 fertiggestellte) neue Chaussee besser mit Königsberg und dem Bezirke verbunden sei". Der Tilsiter Magistrat erneuerte sein Angebot vom Vorjahr. In dieser Diskussion erkannten natürlich auch die städtischen Gumbinner Behörden den Ernst der Lage für ihre Stadt und richteten am 14.02.1831 eine Eingabe an den König.

Sie wurde von Königsberg mit Schnellpost nach Berlin befördert, wobei Sonderkosten von 90 Silbergroschen ausdrücklich angemerkt werden. Gleichzeitig wird eine Deputation zum Oberpräsidenten von Schön entsandt, der vom Brande des Gumbinner Regierungsgebäudes schon nach Berlin berichtet und um den Wiederaufbau in Gumbinnen gebeten hatte. Er rät von einer weiteren Vorstellung beim Könige ab, da von einer Verlegung der Regierung in höchsten Kreisen noch niemals die Rede gewesen sei. Als ehemaliger Präsident der Gumbinner Regierung und Gönner der Stadt werde er, wenn der König die Verlegung nicht selbst befehle, immer nur für die Beibehaltung der Regierung in Gumbinnen eintreten. 

Am 24.04.1831 ging dann bei dem Gumbinner Magistrat eine Allerhöchste Kabinetts-Ordre (vom 17. 4.) ein:
Der Magistrat und die Stadtverordneten-Versammlung hätten sich durch ein bloßes Gerücht nicht veranlaßt finden sollen, das Gesuch vom 14. Februar an Mich zu richten. Das Bedürfniß zur Herstellung des abgebrannten Regierungsgebäudes kann allein keinen hinreichenden Grund darbieten, den Sitz der Regierung an einen anderen Ort zu verlegen, und ein anderweitig motivierter Antrag ist Mir dieserhalb nicht zugegangen.

Als Schön davon Kenntnis erhielt, dass man im Ministerium doch der Stadt Gumbinnen als Regierungssitz nicht gerade günstig gesonnen sei, legte er sich bei diesem noch einmal aufs wärmste ins Mittel. Dass die Frage der Verlegung auch nicht so ganz harmloser Natur war, zeigt der an ihn gerichtete Erlaß vom 25. 5. 1831, in dem zum Ausdruck kommt, „daß nach den im Bericht entwickelten hauptsächlich aus den Interessen der Stadt Gumbinnen hergenommenen Gründen von der in mancher Beziehung sonst wohl wünschenswerthen Verlegung des Regierungs-Kollegii von Gumbinnen nach Insterburg Abstand genommen ist". Gleichzeitig wurden Anordnungen für den Wiederaufbau des Regierungsgebäudes getroffen. Es ist kein Zweifel, dass dem Freiherrn von Schön für die Erhaltung Gumbinnens als Regierungsstadt bei diesem Vorgange schon zum dritten Male besondere Verdienste zukommen.

 

Die „Alte Regierung"

Bis zum Jahre 1832 stellte man Erwägungen um den Neubau an. Die Dienstgeschäfte wurden in dieser Zeit, so gut es ging, im Hause des Majors Ranisch unweit des „Magazins" weitergeführt. Abgesehen von mancherlei Einzelheiten um die Baupläne des neu zu errichtenden Regierungsgebäudes, wobei es um die Frage ging, ob die Wohnung des Präsidenten sich im Gebäude selbst befinden solle, ist nun ein Briefwechsel des Oberpräsidenten Theodor von Schön interessant, der sich auf die Ausführung des Neubaus überhaupt bezieht, also auf die bis in unsere Zeit weithin bekannte „Alte Regierung". Aus Berlin war am 12. Mai 1832 eine Kabinetts-Ordre ergangen, durch welche genehmigt wurde, daß das Regierungs-Konferenzgebäude einschließlich der Präsidialwohnung, aber ohne Freitreppe und ohne Turm nach dem Plane des Geh. Ober-Baurats Severin (128 : 106% Fuß) erbaut werden solle. 

Theodor von Schön schreibt dazu an das Ministerium in Berlin:

Bei meinem unlängst stattgefundenen Aufenthalte in Gumbinnen habe ich mich überzeugt, daß der baldigste Wiederaufbau des Regierungs-Conferenz-Hauses dringend nothwendig ist, und ich nehme mir die Erlaubniß, die Förderung dieser Sache ganz ergebenst zu empfehlen.
Daß das Reg. Conferenz Gebäude auf der bisherigen Stelle wieder erbaut werden solle, finde ich nicht allein sehr gut, sondern sogar nothwendig; dies Haus ist ein schönes Dokument des großen Königs Friedrich Wilhelms des Ersten, die ganze Stadt ist auf das Conferenzhaus berechnet, die ganze Stadt ist nur durch den Regierungssitz da, und das Regierungs-Conferenz-Haus an seiner Stelle, bildet den Mittelpunkt der Provinz, wie ich nichts Aehnliches in unsrem Staate kenne.
So viel ich in Gumbinnen erfahren habe, soll dies Regierungs-Conferenz-Haus
1) zugleich die Wohnung des Präsidenten, ja sogar eine Stallung enthalten, und
2) dies Gebäude ohne Thurm in einem griechisch-heydnischen Styl erbaut werden.
Was das erste Vorhaben betrift, so bitte ich aufs Dringendste davon zu abstrahieren, daß der Präsident mit seinem nothwendigen Wirtschafts-Apparate, in dem Gebäude, welches den Gedanken eines Gouvernements mehr als irgend eins ausdrückt, untergebracht werde. Kommt häusliche Wirthschaft mit allem Apparat und allem Unrath, kommen sogar Pferde und Pferde-Dünger in dies Gebäude, so ist der hohe Gedanke Friedrich Wilhelms des Ersten dermaßen verletzt und entwürdigt, daß Mit- und Nachwelt, streng darüber richten müßten. Es ließ der große König Friedrich Wilhelm der Erste auf dem Regierungs-Conferenz Gebäude einen Thurm setzen, damit dies Haus vorleuchte vor allen Häusern der Provinz. Dieser Gedanke scheint mir so erhaben, daß es niemals rathsam seyn kann, ihn zu vernichten, am wenigsten in einer Grenz-Provinz, die den Vorposten einer kultivierten Welt hat. Meines Erachtens gehört hier an der Grenze des deutschen Volks und des Slawenthums kein griechisch-heydnisches, sondern ein christlich-deutsches Gebäude hin, auf dessen Thurm der ganze Umkreis zu sehen hat."

Der flammende Protest Schöns blieb ohne Wirkung. Im August 1832 berichtete die Oberbaudirektion (u. a. Schinkel) an den König, dass die äußere Ansicht des projektierten Gebäudes einfach sei, sich aber „durch seine Verhältnisse" als öffentliches Gebäude auszeichne und keine kostspieligen Anordnungen nötig wären. Am 08.10.1832 genehmigte der König den Entwurf und ließ für den Bau 53.907 Taler anweisen. Die Bauleitung wurde an Stelle des Sohnes von K. F. Schinkel, der noch mit dem Bau des Palais des Prinzen Albrecht in Berlin beschäftigt war, dem bereits bewährten Baukondukteur Stein übertragen. Am 15.10.1832 fand unter großen Festlichkeiten die Grundsteinlegung für den Bau der Alten Regierung statt, der Theodor von Schön krankheitshalber fernblieb. Ein Satz in seinem Entschuldigungsschreiben aber beleuchtet den eigentlichen Grund: „Die Hoffnung, welche Ew. Hochwohlgeboren aussprachen, daß der Bauplan nach meinen Anträgen eine Aenderung erleiden dürfte, ist leider nicht in Erfüllung gegangen."

Als Grundstein für die Alte Regierung stiftete die Stadt einen mächtigen Granitblock, in den man eine Urkunde legte, welche die Namen der Mitglieder der Regierung sowie statistische Nachrichten enthielt, dazu Bildnisse des Königs und des Kronprinzen, schließlich Zeichnungen des abgebrannten Konferenzhauses und des neu zu errichtenden Regierungsgebäudes.
 
 


Nach der Grundsteinlegung ging Stein mit Eifer an den Bau, musste aber bald nach Berlin berichten, dass es an technisch ausgebildeten Handwerkern mangele. Ferner bat er um Erhöhung seiner Diäten, da der Aufenthalt in Gumbinnen, wie er nachwies, „in Rücksicht der Teuerung dem in Berlin gleichzustellen" sei. Sein Gesuch wurde abgelehnt. Bald erkannte man auch Mängel im Bauplan und bat u. a. (Januar 1833) die Präsidialwohnung fortlassen zu dürfen. Man wies ferner darauf hin, dass das Gebäude in der geplanten Größe von vornherein unzureichend, unbequem, feuergefährlich und vor allem durch den engen Hof ungesund sei. Der Schnee würde auf dem Hofe „bis tief in den Sommer'' liegen bleiben. Selbstverständlich erwog man in den Ministerien diese Bedenken, ließ sie aber auf Grund eines eigenhändigen Gutachtens Schinkels nicht gelten. Schinkel, der seine Gedanken selten zu Papier brachte, bringt in diesem Falle seine Ansichten, die in bautechnischer wie künstlerischer Beziehung interessant sind, schriftlich zum Ausdruck:
.. . daß bei den gesamten Ausstellungen der Regierung das Urteil eines Sachverständigen vermißt wird, daß der Regierung bei den vorgeschlagenen Verbesserungen kein deutliches Bild eines ändern Gebäudes vorgeschwebt haben kann, denn reihet man die gegebenen Andeutungen aneinander, so entsteht ein Gebäude nach gewöhnlichem Handwerks-Schlendrian, der leider nur zu lange eine barbarische Bauart gepflegt und jedem Gebildeten zum Ekel im Lande verbreitet hat, womit denn der größte Teil des Publikums, dessen Urteil die Regierung zu fürchten scheint, sich freilich insoweit einverstanden erklären würde, wie überhaupt ein allgemeines Verständnis möglich ist. Wenn der gebildete Teil der Nation und die Sachverständigen dem Publikum nicht weit vorauseilt und dessen Urteil hinter sich läßt, so wird schwerlich aus einer öffentlichen Unternehmung etwas Ersprießliches hervorgehen. — Soweit mir die größeren und öfentlichen Gebäude Preußens bekannt sind, ist das vom Herrn Geh. Oberbaurat Severin entworfene Regierungsgebäude zu Gumbinnen ohne alle Frage bei weitem das feuersicherste: nicht allein in Beziehung auf das Gebäude selbst mit seinen durchaus massiven Treppen, gewölbten Korridoren in allen Geschossen, gewölbten Kellern und unteren Geschossen, flachen Bedachungen mit geringem Holzausbau usw., sondern wohltätig schützend für die ganze Stadt durch seine hohen Frontmauern und einwärtsgekehrten Dachungen — die kräftigste Hemmung bei großer Feuersbrunst in der Stadt.
Der Wunsch unverhältnismäßig großer und imponierender Eingänge, welcher sich in moderner Zeit, man könnte besonders russischem Einfluß Schuld geben, in die Architektur eingeschlichen hat, verdarb auf eine barbarische Weise die guten und wohnlichen Einrichtungen in den Gebäuden unseres nördlichen Klimas. Meines Erachtens sind die Portale ... in angemessenem Verhältnis und sind vernünftigerweise weder zu erhöhen und zu verbreitern ohne in architektonische Hauptfehler zu verfallen.
Bei einem ringsum frei auf einem Platz der Stadt liegenden öffentlichen Gebäude, welches eines Hofes bedarf, gibt es nur die einzige Anlage, welche zugleich in ökonomischer, ästhetischer, wohnlicher und administrativer Hinsicht die vorteilhafteste ist, die, daß das Gebäude den Hof umschließt. Es versteht sich von selbst, daß der Hof eines öffentlichen Gebäudes in der Stadt nicht wie der Ökonomiehof eines Vorwerks auf dem Lande benutzt werden kann. — Die ferneren Vorteile solcher Anlage sind: die angenehme Lage sämtlicher Zimmer, deren Fenster überall dem freien Marktplatze zugewendet sind, die reinen architektonischen Verhältnisse des Gebäudes von allen Seiten, die nicht durch erdrückende Dächer verunstaltet werden. — Man sollte glauben, die Regierung hätte sich glücklich schätzen müssen, in ihrer Provinz endlich einmal ein Projekt ausführen zu können, in welchem artistische und wissenschaftliche Einsicht einen Fortschritt in der Zeit fühlen läßt. Aber mit wie geringer Sachkenntnis bei ihrer Beurteilung verfahren wird, geht am schlagendsten aus den aufgestellten Vergleichungen des projektierten Gebäudes mit anderen in ihrer Konstruktion ganz heterogenen und mit diesen durchaus nicht vergleichbaren Gebäuden hervor. —
Berlin, den 1. März 1833
Schinkel

Im Jahre 1834 erwies sich bereits, dass die in dem Neubau geplanten Räumlichkeiten nicht ausreichten. Im September d. J. besichtigten der Geh. Oberbaurat Severin den Fortgang der Arbeiten. Er drückte seine Zufriedenheit über Steins Tätigkeit und Umsicht aus, und bald berichtete Stein, dass auch Schinkel sich an Ort und Stelle von dem erfolgreichen Fortgang der Arbeiten überzeugt und auch Proben an das Ministerium geschickt habe. Noch einmal versuchte Schön einige seiner Wünsche für die äußere Gestaltung des Gebäudes durchzusetzen. Schinkel ging soweit darauf ein, dass er für die vier Ecken des Gebäudes Türmchen entwarf. Aber die Oberbaudirektion wies auch diese Pläne zurück, da der Bau schon zu weit fortgeschritten, die Anbringung dieser Türmchen nicht zweckmäßig sei, auch nicht den Verhältnissen des gesamten Bauwerks entspräche. Vielleicht fürchtete sie auch die zusätzlichen Kosten, da man bereits 13.280 Taler mehr gebraucht als man vorgesehen habe und die sich später noch um 4.623 Taler vermehrten. So blieb man im wesentlichen bei der Gestalt, die die Alte Regierung dann bis in unsere Zeit gehabt hat.
Am 03.08.1835 fand die feierliche Enthüllung des Denkmals Friedrich Wilhelms I. vor der Alten Regierung statt. Einzelheiten seien hier übergangen, nur dessen gedacht, dass die Stadt eine Deputation zu dem früheren Bürgermeister Passauer entsandte, dessen Initiative man das Denkmal verdankte. Der Greis, lange krank darniederliegend, schon mit dem Tode kämpfend, hörte die dargebrachte Danksagung noch an und verschied einige Minuten später. Man gedachte des Tages auch in den Preußischen Provinzialblättern.

In der Geschichte der Alten Regierung ist vor allem der Brand des Gebäudes vom 27.—29. April 1864 zu vermerken, bei dem die ganze (oberste) Attika-Etage und alle darin befindlichen Akten, das Zinkdach, ferner die Fußböden, Decken und Fenster im 3. und auch z. T. im 2. Stockwerk zerstört wurden. Der große Sitzungssaal und die Räume der Präsidialwohnung fielen ebenfalls den Flammen zum Opfer, während die Akten der Abteilung des Innern, der Finanzabteilung und des Präsidiums sowie die Bibliothek und die Plankammer gerettet wurden. Die Ursachen dieses Brandes der Alten Regierung sind offenbar nie genau geklärt worden. Bei dem Vorgang selbst soll „politische Verhetzung" eine Rolle gespielt haben.

Am 1. Oktober 1864 war das Gebäude wiederhergestellt. An die Stelle des mit Zink bedeckten Pultdaches war ein Satteldach getreten, das mit englischem Schiefer bedeckt worden war. Dadurch hatte man in der Attika Raum gewonnen, baute diese aber nicht zu Geschäftsräumen aus, weil man dann die kleinen Fenster hätte vergrößern müssen, was bei diesem Gebäude gegen die Ästhetik verstoßen hätte.

Eine weitere erfreuliche Änderung erfuhr das Gebäude im Jahre 1880, um dann in diesem äußerlichen Zustande bis in unsere Zeit zu verbleiben. Die Alte Regierung erhielt als Zierde den bis dahin auf dem Postamte in Tilsit befindlichen mächtigen preußischen Adler, der dort durch den Reichsadler ersetzt werden mußte. Der Adler stammte — wie das Tilsiter Postamt — aus der Zeit Schinkels und war in der Kgl. Eisengießerei in Berlin gegossen worden. Er hatte eine Flügelspanne von 3,80 m, eine Höhe von 0,70 m und ein Gewicht von 1.500 kg. Der Preis betrug 120 Mark, die Transport- und Aufstellungskosten 380 Mark. Ohne Zweifel belebte er die etwas eintönig wirkende Fassade.

 

 

Die Neue Regierung

Mit der Zunahme von Verwaltungsgeschäften ist in den Anfängen gewöhnlich die Verlagerung von Dienststellen verbunden. Diese arbeiten dann in gemieteten Privathäusern. Solche Vorgänge sind auch der Gumbinner Regierung nicht erspart geblieben. In diesem Rahmen sei hier nur vermerkt, dass vor allem die Forstabteilung in einem Gebäude in der Kirchenstraße „am Präsidial-Garten" untergebracht wurde und in der sog. Kleinen Regierung mehrere Jahrzehnte verblieb. Die Vermehrung der vorhandenen wie die Schaffung neuer Dienststellen (von etwa 1871—1900) bewirkte nun in den zur Verfügung stehenden Räumen eine in dienstlicher und gesundheitlicher Hinsicht nicht mehr zu verantwortende Enge.
 
 


Die Jahre 1896—1908 sind hinsichtlich des Regierungsgebäudes ausgefüllt mit Planungen und Verhandlungen mit der Stadt, dem Militärfiskus und privaten Eigentümern um den Baugrund, ferner mit Vorentwürfen und Entwürfen, um für sämtliche Abteilungen ausreichende Gebäude zu schaffen. In diese Projekte wetterleuchtet wiederum die Möglichkeit der Verlegung der Regierung nach Insterburg oder Tilsit hinein, da diese Städte ausreichende Bauplätze unentgeltlich zur Verfügung gestellt hatten. Außerdem steht die Frage der Teilung der Provinz in drei Regierungsbezirke an. Man erwägt einen Anbau an die Alte Regierung in Richtung Tilsiter Straße, ebenso Erweiterungen der Kleinen Regierung in der Kirchenstraße, will auch die Präsidialwohnung dorthin verlegen. Schließlich gelingt der Erwerb der Bauplätze von der Alten Regierung bis zur Kirchenstraße. Inzwischen schrieb man schon das neue Jahrhundert. Als wichtigster Grund für die Verzögerung ist wohl die Errichtung des neuen Regierungsbezirks Allenstein anzusehen, wenn auch Verlegungsprojekte nach Insterburg oder Tilsit noch diskutiert wurden. Die Bemühungen dieser beiden Städte gaben Anlass zu Pressefehden und erregten vor allem und mit Recht die Gemüter der Gumbinner Bürger. An Biertischen, in Vereinen, in Sitzungen der städtischen Körperschaften usw. wurde hin- und hergestritten, u. a. die Schuld einer etwaigen Verlegung einzelnen Grundstücksbesitzern zugeschoben, da sie unberechtigt hohe Forderungen gestellt hätten. Den Vertretern der ländlichen und städtischen Kreise bleiben auch in der öffentlichen Meinung Vorwürfe nicht erspart, nicht ihre Schuldigkeit getan zu haben.

Im Jahre 1905 wurde nun in Allenstein unter Leitung des dorthin versetzten Gumbinner Regierungspräsidenten Hegel die neue, dritte ostpreußische Regierung errichtet. Dabei wurden die masurischen Kreise Sensburg, Lötzen, Johannisburg und Lyck vom Gumbinner Verwaltungsbezirk abgezweigt und dieser auf zwölf landrätliche Kreise verringert. Der neue Regierungs-Präsident Dr. Stockmann erbat nun dringend die Entscheidung hinsichtlich des Regierungsortes wie des Erweiterungsbaues. Man arbeitete zu dieser Zeit in neun getrennten Gebäuden. Weiterhin konnte im Interesse der Stadt Gumbinnen und mit Rücksicht auf die Stimmung der Bürgerschaft die Entscheidung auch nicht noch länger hinausgeschoben werden.
 
Sie erfolgte am 13.07.1906: a) die Regierung verbleibt in Gumbinnen, und b) der Vorentwurf für den Erweiterungsbau sollte im Ministerium aufgestellt werden.

Widrige Umstände (Todesfälle von Sachbearbeitern usw.) hinderten wiederum. Erst am 10.04.1907 war der Vorentwurf durch den Geh. Baurat Saran fertiggestellt. Nach Erteilung des Bauauftrags wurde sofort im April 1908 mit dem Abbruch der auf dem Baugelände stehenden Häuser begonnen. Der erste Spatenstich zur Neuen Regierung erfolgte am 7. August 1908. Nach den Plänen des Geh. Baurates Saran im Ministerium der öffentlichen Arbeiten hatte die Oberleitung des Baues der Gumbinner Regierungsbaumeister Schiffer, die örtliche Bauleitung lag in den Händen der Regierungsbaumeister Escher, Müller und (ab 1909) Pattri. Die Oberaufsicht seitens der Regierung hatte Regierungs- und Baurat Jende. Bei der Bauausführung waren 63 Firmen beteiligt, davon 20 aus Gumbinnen.

Die Außenansichten der Alten Regierung sind seit der Erbauung im allgemeinen unverändert geblieben. Die Neue Regierung hat im Grundriss etwa die Form eines kleinen lateinischen b. Das neue Geschäftshaus enthält über einem Untergeschoss, dessen Fußboden an der Frontseite unterhalb der Straße, sonst überall ebenerdig liegt, drei Stockwerke und ein z. T. ausgebautes Dachgeschoss. An der Ecke gegenüber der alten Regierung ist das Gebäude turmartig erhöht und weist hier vier Geschosse auf. Der Haupteingang liegt zwischen dem östlichen Teil des Geschäftsgebäudes und dem Präsidialwohngebäude. Er konnte auch zur Einfahrt für Wagen benutzt werden. Das Wohnhaus des Regierungspräsidenten wies ebenfalls drei Stockwerke und das zur Hälfte ausgebaute Dachgeschoss auf. Hier verband eine schwere gewundene Eichenholztreppe die Dielen in den einzelnen Stockwerken. Am Wohnhaus befand sich auch ein Dienstgarten und ein kleiner, durch eine lebende Hecke abgetrennter Wirtschaftshof.

Hinsichtlich der architektonischen Ausgestaltung konnte der Stil der aus der Schinkel-Zeit stammenden Alten Regierung nicht auf die Neue Regierung übertragen werden, zumal trotz der Verbindungsbrücke zwischen den beiden Verwaltungsgebäuden eine 16,80 m breite Straße lag. Die schwere geschlossene Form der Alten Regierung mit ihrer horizontalen Gliederung forderte geradezu eine vertikale Gliederung für die Neue Regierung heraus. Daher wurden in Bezug auf die Außenarchitektur die Formen in modernem Barock gehalten und die SW-Ecke der Neuen Regierung turmartig erhöht. Dieser Teil überragt mit seinem mächtigen Zeltdach, das noch mit einem ganz mit Kupfer bekleideten Dachreiter gekrönt ist, die ganze Stadt. Es war mit ein neues Wahrzeichen der Gründung Friedrich Wilhelms I. Die Fassaden der Neuen Regierung erhielten durch die verschiedenen Baustoffe eine weitere Belebung. Über dem mit vielfarbigen Sprengsteinen verblendeten Sockel erhebt sich das Erdgeschoss in glattem Ziegelbau, das durch ein Gesims aus weißem Heuschener Sandstein abgeschlossen ist. Die beiden darüberliegenden Geschosse sind gekennzeichnet durch flach vorspringende, breite Ziegelpfeiler; die dazwischenliegenden Flächen sind an allen Straßenseiten mit silbergrauem Terrasit, an den Gartenseiten mit Rüdersdorfer Kalk verputzt. Die Wandteilungspfeiler, oben mit kartuschenartigen Kapitellen aus Sandstein, tragen das kräftig ausladende Hauptgesims. Bildhauerischen Schmuck haben nur die giebelgekrönten Risalite der Vorderfront, das Hauptportal (Sandstein) und der Erker am Präsidialhaus. In dem hohen Giebelfeld des Turms prangt der pre¬ßische Adler, darüber die Königskrone. Zwei lebensgroße weibliche Figuren, die Landwirtschaft und die Fischerei verkörpernd, rahmen die Embleme ein. Der Dachstuhl besteht durchweg aus Holz. Für die hohen Mansardendächer verwendete man rote Mönchs- und Nonnenziegel. Dachrinnen und Abfallrohre sind ebenfalls wie der Dachreiter aus Kupfer gefertigt.

Es kann kein Zweifel sein, dass das Gumbinner Regierungsgebäude, d. h. die Alte und die Neue Regierung, nicht nur in der Stadt selbst das wichtigste und bedeutendste Bauelement darstellt, sondern überhaupt im östlichen Ostpreußen als das repräsentativste Baudenkmal anzusehen ist. Die sowohl vom alten Konferenzhause wie von der Alten und Neuen Regierung ausgehenden Impulse aber haben ostpreußische Provinzialgeschichte mit gestaltet.