Die napoleonischen Kriege (1806/07 und 1812/15) 
von Dr. phil. Rudolf Grenz  

Nach der verlorenen Schlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 zogen sich die Reste der preußischen Armee nach Ostpreußen zurück, hart bedrängt und verfolgt von den französischen Siegern. In einem Gefecht bei Heilsberg gelang es Napoleon, die Vereinigung von Preußen und Russen zu verhindern und sodann die Russen bei Friedland (Kr. Bartenstein) am 14. Juni 1807 vollständig zu schlagen. Die Franzosen besetzten die Provinz bis an die Memel, und schon am 18. Juni erreichten sie Gumbinnen, wo die Korps der Generale Colbert und Marchand einrückten. Sie ließen sich sogleich eine Brandschatzung (Kontribution) von 18.209 Reichstalern 60 Groschen zahlen. Kurz nach ihrem Abzug erschien Marschall Ney, dessen ganzes Korps durch Gumbinnen zog. Er ließ sich aus den Beständen der Krieges- und Domainenkasse 30.000 Reichstaler zahlen.

Äußerliche Beschädigungen an Gebäuden und Feldern fielen nicht vor. Aber um so drückender waren die Einquartierungen. Die neuen Gäste, hungrig und gierig, benutzten „das Recht des Feindes und die Furcht der Einwohner" (Gervais). Unerhörte Forderungen wurden nicht nur an die Stadt, sondern auch an die Quartierwirte gestellt. Sie überstiegen oft das Vermögen derselben, und einzelne Misshandlungen waren die Folge unerfüllter Anforderungen.

Das Neysche Korps blieb acht Tage in und um Gumbinnen stehen; es brach hiernächst mit Zurücklassung einer Besatzung Chasseurs auf und ging über Schirwindt nach Kalwary.

Gleich nach dem Frieden von Tilsit (9. Juli 1807) traf das Davoust'sche Korps, von der Memel her kommend, in Gumbinnen ein, hielt einen Rasttag und marschierte dann weiter nach Warschau. Unmittelbar darauf nahmen zwei Eskadrons Preußische Dragoner zur Freude der Einwohner, von der Stadt Besitz. Ney wagte indessen doch, noch einen Räuberstreich auszuüben, schickte den Kriegeskommissair Daudi mit einem ansehnlichen Kavallerieexekutionskommando nach Gumbinnen und forderte noch eine zurückgelassene nicht erhaltene Summe von 23.000 Reichstalern, die dem Lande gehörte und zur Unterstützung der armen Landbewohner bestimmt war, die durch Brand und Raub gelitten hatten. Mit Hilfe der Preußischen Besatzung wurde dieser beabsichtigte Raub verhindert, und das Exekutionskommando, welches nach der erhaltenen Anweisung noch zuguterletzt die Stadt plündern sollte, „mußte Wuth verbeißend, ohne etwas zu erhalten, abziehen".

Allgemeine Plünderung geschah nicht; nur einzelne Einwohner wurden von raubsüchtigen Franzosen heimlich ausgeplündert, denn öffentlich war es bei harter Strafe verboten.

Die wenigen Kriegsmonate hatten aber die Provinz doch hart mitgenommen. Der durch die Verwüstungen der Franzosen entstandene Schaden, die Verpflegungs- und Unterhaltungskosten für die eigenen Truppen und die der Franzosen und Russen beliefen sich auf mehr als 100 Millionen Taler; die Kontributionen betrugen 8 Millionen Franken.

Im übrigen war dem Kriege eine Viehseuche gefolgt, die fast den ganzen Viehbestand Ostpreußens und damit den Wohlstand der ländlichen Bevölkerung vernichtete. Weiter machte die von Napoleon verhängte Kontinentalsperre die Einfuhr englischer Waren unmöglich, und das gleichzeitige Ausfuhrverbot für ostpreußisches Getreide nach England brachte die wichtigste Einnahmequelle zum Versiegen. Stadt und Land waren wirtschaftlich erschöpft und verarmt.

Am 12.04.1809 wurde Theodor von Schön zum Regierungspräsidenten ernannt. Er besaß in hohem Maße die notwendigen Eigenschaften, die Wunden des Krieges zu heilen. Seine neue Wirkungsstätte war dem Regierungspräsidenten nicht unbekannt, da sein Geburtsort Schreitlauken, Kreis Tilsit-Ragnit, wo er am 23.01.1773 geboren wurde, zu unserem Heimatbezirk gehörte. Nicht allein mit Verwaltung und Wirtschaft befasste sich von Schön in seiner Eigenschaft als Beamter, sondern er förderte als Schüler Kants auch das Geistesleben (nach O. Gebauer).

Kaum hatten sich Stadt und Land etwas von den schweren Schäden des Jahres 1807 erholt, als der Sommer und Winter 1812 neues Unglück mit dem Durchmarsch und späteren Rückzug der „Großen Armee" Napoleons brachten. Gumbinnen war zum Sammelpunkt der Hauptarmee dieses größten Heeres jener Zeit ausersehen. Von hier aus wurde der Vormarsch auf Moskau angetreten. Aus diesem Grunde war die Stadt eine wichtige Etappenbasis und Hauptverpflegungsstelle. Dieser Umstand brachte es mit sich, dass Gumbinnen, wie wohl kein anderer Ort der Provinz, besonders hart mitgenommen wurde. Die in Stärke von mehr als 300.000 Mann durchziehenden Franzosen benahmen sich noch ungebührlicher und anmaßender als im Jahre 1807. Nur durch das Eingreifen des Regierungspräsidenten von Schön konnte die beabsichtigte Plünderung verhindert werden. Dieser geriet dabei mit dem als besonders rücksichtslos und grausam bekannten Marschall Davoust in derart scharfe Auseinandersetzungen, dass der Franzose ihn festnehmen lassen wollte. Schließlich erreichte der Regierungspräsident durch geschickt geführte Verhandlungen mit dem sich vom 18. bis 21.06.1812 in Gumbinnen aufhaltenden Napoleon die Rettung der Stadt vor der Brandschatzung. Trotzdem waren die Bedrückungen furchtbar.